Feiertag – Mathis am Montag

21. Mai 2018

Frohes Pfingstfest! – Geht das auch an Gustav Mahler, oder müsste man da frohes Schawuot wünschen? Beides, und allem voran das vorsichtige Nachfragen, hätte vielleicht dazu führen können den geistreichen Mahler nachdenklich zurückzulassen. Mahler hat seine Bar-Mizwa gefeiert, war also glaubensregelrechter Jude, mit 37 Jahren ließ er sich allerdings zum Katholiken taufen. Ob er vom Glauben dieser Religionen überzeugt war, ist nicht überliefert und eher infrage zu stellen.

Dabei komponierte Mahler sehr sakrale Werke, die von einem tiefen Vertrauen in Göttliches erzählen. Viele seiner Zeitgenossen komponierten tragisch, dramatisch, schön und triumphal. Mahler setzte all dieser Musik und den daran gewöhnten Ohren etwas entgegen. Er meisterte die musikalische Fassade, den doppelten Boden; hinter ironisch netten Kulissen wartet dort das Abgründige dieser Welt. Anders als viele seine Zeitgenossen vermochte er aber auch die Hoffnung, das Vertrauen und das Gute in purster Form zu verklanglichen. Es scheint, als habe er keine Einzelheiten sehen können und so seine Kompositionen auch nicht auf diese Beschränkt. Wenn am Ende einer Sinfonie also die göttliche Reinheit des Guten steht, dann nicht, weil Mahler keine Lust hatte das ganze Lied zu singen, sondern weil er die Existenz dessen tatsächlich fassen konnte.

Mahlers Musik ist gut. Wer diesen Blog verfolgt kennt diese Meinung und hat vielleicht schon keinen Bock mehr darauf. Wir haben Gustav oben aber vielleicht nachdenklich zurückgelassen, darum sollte man sich kümmern.

Gustav Mahler sah sich vor eine unnötige Wahl gestellt: Juden- oder Christentum. Nach leidvollen Erfahrungen mit Diskriminierung hat er sich für die Musik entschieden. Wie es sich anfühlt, den Traditionen seines Elternhauses „abschwören“ zu müssen, um dem Ruf an die großen Konzert- und Opernbühnen zu folgen, möchte man sich nicht vorstellen. Er durfte international dirigieren, doch sein „Juden-Stigma“ eilte ihm selbst über den Atlantik voraus.

«Ich bin dreifach heimatlos: als Böhme unter Österreichern, als Österreicher unter den Deutschen und als Jude in der ganzen Welt. Überall ist man Eindringling, nirgends ‹erwünscht›.»
Viel Frust und Verbitterung spricht daraus, wenn jemand, der weltweit gefragt und erfolgreich ist, zu solchem Schluss kommt. Mahler vertonte das Verdorbene, womöglich widmete er dies auch der Gesellschaft, er endete aber mehr als einmal im vollendet Schönen, was auf schweren Weg erschritten wurde. Am Ende der zweiten Sinfonie verzichtet er dabei auch auf einen Text. Er legt sich auf keine Sprache fest und richtet sich so, mit der Fähigkeit zu lieben und dem unendlichen Vertrauen in das Gute in, oder nach dieser Welt, an die gleiche Menschheit, die ohne Verstand über ihn richtete.

Mahlers Musik ist gut. Ob die Gedanken, die hinter einem zeitgleichen christlichen und jüdischen Fest zum Vorschein kommen, sie besser machen können? Für eine Antwort wird man wohl reinhören müssen.

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